SEX-UMFRAGE: 86 PROZENT DER DEUTSCHEN SIND MIT IHREM SEXLEBEN UNZUFRIEDEN - WARUM DAS SO IST UND WIE ES BESSER LAUFEN KANN, ERKLäRT SEXOLOGIN CHANTELLE OTTEN

Bumble-Sexologin Chantelle Otten gibt einfache, aber essenzielle Tipps für ein gesundes, glückliches Sexleben

Stell dir vor, du hast Sex – und er macht nicht glücklich. Ganz schön traurig, aber wenn man die Deutschen befragt, geht es laut einer Umfrage der Dating-App Bumble 86 Prozent unserer Mitbürger:innen so. Woran das liegt? Unklar. Fest steht: So kann und soll es nicht weitergehen.

Was die Menschen an ihrem Sexleben stört, wie man Probleme anspricht und wie Sex wieder Spaß machen kann, haben wir mit der Chantelle Otten, Bumbles Sexologin, besprochen, auseinandergenommen, einmal umgedreht und neu zusammengesetzt. Kurzum: Wie Sex und dein Sexleben wieder Spaß, glücklich und zufrieden machen, hat Chantelle Ottenim Interview mit GLAMOUR erklärt.

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Bumble-Sexologin Chantelle Otten im Interview mit GLAMOUR

Sex – ein großes Thema, über das kaum jemand lang und breit spricht. Sollten wir aber, denn nur so kann der Flaute in deutschen Betten ein Ende gesetzt werden. Und die Statistik spricht hier leider eine sehr deutliche Sprache: Nach eine Umfrage der Dating-App Bumble haben nicht einmal 15 Prozent der Deutschen den Sex, den sie sich wünschen – sie sind unzufrieden. Und das, obwohl sich 42 Prozent der Befragten als durchaus experimentierfreudig bezeichnen. Sex, Dating, Online-Dating und Intimität sind nach den Jahren der Unsicherheit im Lockdown wieder im Alltag angekommen. Aber haben wir verlernt, unsere Wünsche zu kommunizieren? Oder war unser Sexleben schon immer eher mau, aber wir wollten es bloß nicht zugeben? Diesen (und noch vielen weiteren) Fragen ist Chantelle Otten, Sexologin der App Bumbe, auf den Grund gegangen. Die Ergebnisse hat sie GLAMOUR natürlich verraten: Besserer Sex, here we come!

GLAMOUR: Hi, Chantelle! Erzähl mal zu dir, wie wird man Sexologin?

Chantelle Otten: Ich bin in Australien aufgewachsen, da redet man nicht öffentlich über Sex. Bei mir im Elternhaus war das anders, über Sex haben wir ganz normal gesprochen. Dass das jedoch nicht der Norm entsprach, habe ich an der Schule erkannt: Wir hatten an meiner sehr strengen Mädchenschule keinen Sexualkundeunterricht, über Sex zu sprechen, war verboten. Das führte dazu, dass viele meiner Mitschülerinnen sich plötzlich in unsicheren Situationen wiederfinden und bei Dingen mitmachten, die mir heute noch Angst machen.

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Ich habe nach der Schule Psychologie studiert, mich während des Studiums auf Sexualität konzentriert und festgestellt, dass es da eine riesige Lücke gibt. Menschen meiner Generation sprechen nicht offen über Sex – oft nur in medizinischem Zusammenhang oder wenn sie sich nicht wohlfühlen. Das hat mich dazu bewogen, in den Niederlanden Sexologie zu studieren. So wurde ich Sexologin.

Heute leite ich eine der größten Sexologie-Klinken in Australien und habe Bücher über gesunden Sex geschrieben. Ich arbeite gern mit Unternehmen wie Bumble, spreche gern über Sex, Beziehungen und Dating. Ich glaube, dass Sex etwas ist, über das Menschen in Deutschland weniger sprechen, als sie sollten.

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Worüber sollten die Deutschen denn reden, was sollten sie ändern, damit sie endlich wieder zufrieden mit ihrem Sexleben sind?

“Guter Sex” wird natürlich von jedem:jeder Einzelnen anders definiert. Ich glaube, guter Sex definiert sich nicht über die Quantität, sondern vielmehr über die Qualität. Man muss herausfinden, was einem:einer gefällt, was Spaß macht.

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"Dass nur 14 Prozent der Deutschen mit ihrem Sexleben zufrieden sind, ist verrückt."Chantelle Otten, Bumble-Sexologin

Viel zu oft denken wir bei Sex immer noch in traditionellen Schubladen: also Penis-Vagina-Sex. Aber diese Form schließt viel zu viele Menschen aus: die LGBTQIA+-Community, Menschen mit Behinderungen, mit Schmerzen beim Sex und mit Erektionsstörungen. Es ist deshalb vielleicht an der Zeit, Sex ganz generell neu zu denken, Lust und Vergnügen neu zu erlernen. Was fühlt sich gut an? Welche Unterschiede lassen sich zu verschiedenen Uhrzeiten feststellen? Nur weil es jahrelang auf die eine Art gut war, bedeutet das nicht, dass es für alle Ewigkeit auf die gleiche Art und Weise befriedigen kann, muss und soll. Manchmal bringt die Veränderung von kleinen Details oft schon viel mehr Vergnügen und Spaß.

Dass nur 14 Prozent der Deutschen mit ihrem Sexleben zufrieden sind, ist verrückt. Das sind nicht einmal zwei von zehn Menschen. Es gibt ganz offensichtlich Wissenslücken in Sexualkunde, aber auch in dem, was Spaß macht, und Sexologie ganz allgemein.

Was könnte denn das größte Problem im Sexleben der Deutschen sein?

Ich habe festgestellt, dass die meisten meiner Patient:innen wirklich keine Ahnung von Sex haben. Sie wussten nicht, wo sich welche Stellen am Körper befinden. Die Menschen wissen oft nicht, wie man um Einverständnis fragt, wie man Grenzen zieht, masturbiert und wie man Partner:innen sagt, was einem:einer gefällt.

Für mich sind all diese Dinge normal, aber offensichtlich passieren sie nicht in allen Schlafzimmern. Unter anderem deshalb habe ich mein Buch “The Sex Ed You Never Had” geschrieben, das nicht ohne Grund zum Bestseller wurde: Die Menschen wollen mehr darüber wissen, wie sie Spaß im Bett haben können.

Hat Pornografie zu unserem nicht zufriedenstellenden Sexleben beigetragen?

Pornos sind zur Unterhaltung gedacht, nicht zur Weiterbildung. Und natürlich überwiegen bei den meisten Pornofilmen der Male Gaze und Misogynie – ein Mix, der echt gefährlich werden kann. Pornos vermitteln viel zu oft das Bild, dass Frauen Spaß an Sex nicht verdient hätten, dass ihre Geschlechtsteile so oder anders auszusehen hätten und dass es total okay wäre, wenn sie schlecht behandelt würden. Das ist natürlich total unangemessener Quatsch.

Wenn ich oder jemand mit einer Vulva mit jemandem Sex habe, dann muss sich dieser jemand mindestens 20 oder 25 Minuten nur mit meiner Vulva und meiner Klitoris beschäftigen, ehe ich überhaupt ansatzweise einen Orgasmus haben kann. Darüber müssten wir alle mehr sprechen und auch über die Möglichkeit, Sexspielzeuge mit in unser Sexleben einzubauen oder auch während des gemeinsamen Sex zu masturbieren.

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Glaubst du, dass vor allem junge Menschen von all der sexuellen Freiheit, die wie 2023 haben, überfordert sind?

Möglich, aber ich glaube, dass sich Menschen – jung oder alt – oft mit ihren eigenen Erwartungen im Weg stehen. Schauen wir uns zum Beispiel mal “ethical Sex-ploration” an: Etwa die Hälfte der Befragten der Bumble-Studie gab an, dass sie offen und neugierig an Dates herangeht, dass Sex für sie kein Tabu mehr darstelle. Eine Person von sieben ist laut der Umfrage auch an einer nicht-monogamen Beziehung interessiert. Aber machen sie alles richtig? Unklar.

Wir haben immer diese Vorstellung davon, was wild ist, was Spaß macht und wie woke wir doch sind – aber diese Worte dann in Taten umzusetzen, ist gar nicht so einfach. Das Gleiche gilt übrigens für Gleichberechtigung beim Dating: Viele wollen gleichberechtigt daten, aber in Wirklichkeit wollen dann viele die Disney-Version von Dating, Beziehungen und Sex. Vielleicht, weil sie überfordert sind, aber vielleicht auch, weil sie Scham und Frauenfeindlichkeit verinnerlicht haben – und das überwältigend ist.

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Apropos “Nicht-Monogamie”: Wie öffnet man eine Beziehung am besten?

Zuerst muss man sich fragen: Wie gehen wir das an? Wie ist es für alle Beteiligten sicher? Wo trifft man andere Partner:innen? Darüber muss man sprechen.

Wenn eine Person in einer Beziehung diese dann immer noch öffnen möchte, muss das unbedingt aus Liebe und Respekt für den:die primäre:n Partner:in und sich selbst passieren. Man kann eine Beziehung nicht einfach öffnen, weil sie gerade schwierig ist. Es gibt tolle Möglichkeiten, eine Beziehung zu öffnen: vielleicht als “monogam-ish”, also als monogame Beziehung, die flexibel ausgelegt werden kann, oder auch als Polyamorie mit verschiedenen Partner:innen oder aber auch Swingen.

Was ist die beste Option, die Beziehung zu öffnen – vielleicht auch nur ein bisschen?

Ich finde, Sex-Partys sind eine tolle Option: Da kann man mit dem:der eigentlichen Partner:in hingehen und ist dann aber von Erotik und sexuellen Reizen umgeben. Man muss dort nicht mit einer anderen Person in Kontakt treten, sondern man kann mit dem:der Partner:in einfach zuschauen. Und trotzdem: Man muss ganz genau vorher kommunizieren, wieso man das sehen oder dort mitmachen möchte.

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"Man darf Polyamorie nicht als Entschuldigung dafür benutzen, nur mir vielen Partner:innen Sex zu haben ."Chantelle Otten, Bumble-Sexologin

Außerdem glaube ich, dass man eine Beziehung oft nur in Verbindung mit einer Therapie öffnen sollte. Dann hört sich eine neutrale Person die Wünsche und Vorstellungen der Partner:innen an, hilft bei Ängsten und Unsicherheiten und zeigt Grenzen auf. Grenzen sind superwichtig. Und dass wir klar und deutlich sagen, was wir uns von der Beziehung und dem:der Partner:in wünschen.

Was nicht geht, ist, dass Leute Polyamorie als Entschuldigung dafür benutzen, mit vielen Partner:innen Sex zu haben und Quality Time mit ihnen vernachlässigen.

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Wie kann man 2023 “woke” daten?

Es kommt immer darauf an, warum man datet: Will man eine Beziehung oder nur ein Techtelmechtel? Warum man datet, definiert auch die Art, wie man datet. Ich glaube, man kann schon “woke” daten.

Bumble hat zum Beispiel den Begriff des “Open Casting” dafür ins Leben gerufen: Das bedeutet, dass 38 Prozent der Befragten jetzt offener sind, wenn es um Dating geht – und nicht immer nach ihrem Typ suchen. Das ist schon woke, dass wir nicht immer nach dem gleichen Typ Mensch Ausschau halten, unser Beuteschema ändern. Weil ganz ehrlich: Wenn das mit dem bestimmten Typ bisher nicht geklappt hat, sollte man vielleicht an seinen eigenen Vorstellungen etwas ändern, an dem Typ, auf den man angeblich abfährt.

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Dank der Apps hat man heute ja auch viel mehr Möglichkeiten, Infos über potenzielle Dates zu bekommen: die Sicherheits-Features, die Video- und Voice-Messaging-Funktionen. All das kann man nutzen, bevor man sich wirklich mit jemandem im echten Leben trifft – ganz ohne dass man jemals seine Nummer rausrücken muss.

Ich denke, es ist wirklich wichtig, seine eigenen Erwartungen zurückzuschrauben. Anstatt zu hoher Erwartungen an das Date sollten wir lieber unser eigenes Verhalten auf den Prüfstand stellen. Der Schlüssel zum Dating-Erfolg könnte sein, dass wir unsere Gegenüber nicht indirekt und unterbewusst mit unseren eigenen, vielleicht toxischen Erwartungen beladen. Man sollte wohlüberlegt daten und sich eher auf emotionale Reife als irgendwelche Äußerlichkeiten konzentrieren.

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Neben dem “Open Casting” lohnt es sich laut Bumble auch, über die Love-Life-Balance nachzudenken: Man muss seine eigene Gesundheit in den Vordergrund stellen. Wenn man sich von der App unter Druck gesetzt fühlt und das ganze Online-Dating gerade eben nicht fühlt, ist es total okay, zu pausieren. Man muss auf sich selbst und seine psychische Gesundheit achtgeben.

Zwischen der Suche nach Beziehung oder Affäre, “Open Casting” und der Love-Life-Balance darf man vor allem zwei Dinge nicht vergessen: Bumble ermöglicht Frauen, bei Interesse an einem Match den ersten Schritt zu machen. Und die App will ihre Nutzer:innen eigentlich loswerden und sie stattdessen in happy Relation-, Situationships und Co. sehen.

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Hast du eine Story von einem richtig schlechten Date, mit der du uns zum Lachen bringen kannst?

Ich hatte eine Menge schlechter Dates. Manche habe ich nach 20 Minuten abgebrochen, aber das war, bevor ich wusste, wie man das fair handeln kann. Da habe ich echt so Sachen wie den (natürlich erfundenen) Geburtstag eines Onkels vorgeschoben, um gehen zu können. Aber ein besonders schlechtes Date blieb im Kopf hängen: Der Typ redete 45 Minuten lang nur von seiner Mutter – das war schon obsessiv. Nach fast einer Stunde hatte er mir immer noch keine Frage gestellt, da meinte ich: “Willst du eigentlich mit mir auf ein Date gehen oder mit deiner Mutter?”

Aber was macht jetzt guten Sex aus?

Guter Sex ist für mich aus meiner professionellen Perspektive ein Sexleben, das viel Vergnügen bietet und frei von Scham, Stigma und Schmerz ist. Und natürlich ist guter Sex einvernehmlich.

Gutes Stichwort: Einvernehmlichkeit. Brauchen wir da andere Gesetzgebung oder reichen die “Nein heißt Nein”-Gesetze?

“Nein heißt Nein” funktioniert nicht, weil man das in manchen Situationen gar nicht mehr kommunizieren kann – wenn man sich plötzlich nicht mehr sicher fühlt, angegriffen wird oder in eine Schockstarre verfällt, ist dieses “Nein” sehr schwer zum Ausdruck zu bringen. So hilft diese Gesetzgebung auch Opfern von sexuellem Missbrauch nicht.

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"Guter Sex ist einvernehmlich."Chantelle Otten, Bumble-Sexologin

Wir brauchen also affirmatives, aktiv bejahendes Einverständnis: Das bedeutet, dass die Sexualpartner:innen besser aufeinander abgestimmt agieren und sich auch so verhalten. Die Person, die sich in einer bestimmten Situation plötzlich unwohl fühlt, sollte sich nicht für ihr Unwohlsein verantwortlich fühlen müssen. Alle sollten sich wohl- und für das Wohlbefinden der anderen Partner:innen verantwortlich fühlen.

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